Ich werde Vajroli lehren. Es wird von allen Yogis geheim gehalten. Es ist wahrlich über alle Maße hinaus eine Geheimlehre, welche nicht irgendjemandem gegeben werden soll.
Doch gewiss nicht einmal jemandem, der einem so viel wert ist wie sein eigenes Leben, soll man es lehren. Insbesondere jemandem der sich gegenwärtig frei verhält ohne die im Yoga gelehrten Regeln zu befolgen.
Wer Vajroli kennt, der ist ein Yogi der die Vollendung verdient.
Bei dem Anlass werde ich die beiden [hierfür nötigen] Dinge erklären. Sie sind für jeden schwer zu erlangen. Wenn sie von jemandem erlangt werden, dann wird gelehrt, [dass] sie so Erfolg im Yoga bewirken.
Männliche Sexualflüssigkeit (kṣīra) und weibliche Sexualflüssigkeit (rasa). Das erste von den beiden ist unmittelbar zu bekommen. Schwer zu erlangen ist das zweite - von einem Mann ist es [meist nur] durch eine fein angelegte Strategie für sich zu gewinnen.
Mit sorgfalt soll der Mann eine Frau erobern, die sich der Yogapraxis verschrieben hat. Sowohl ein Mann als auch eine Frau erlangen beidseitig Erfolg, [so] sie unabhängig von dem Geschlechtsakt [sind] …
… [und] es allein gemäß der eigenen Absicht aufgrund der spirituellen Praxis [tun].
Wenn der Same (bindu) sich bewegt, soll er ihn nach oben ziehen und ihn bewahren.
Der Same (bindu), der auf diese Weise bewahrt wird, besiegt den Tod (mr̥tyu) - das ist ein Naturgesetz.
Sterben [entsteht] durch den Fall von Samen (bindu), Leben von der Bewahrung von Samen (bindu).
Allein durch die Bewahrung des Samens (bindu) werden alle Yogis vervollkommnet.
Ursprünge von Vajrolimudrā
Diese Technik wird erstmals schriftlich (jedoch nicht explizit unter diesem Namen) in dem frühen Yogatext namens Amanaska erwähnt. Die erste namentliche Erwähnung findet hier im Dattātreyayogaśāstra statt.
Yoga und Sexualflüssigkeiten
Schon in den frühesten Beschreibungen von Mudrā-Techniken in den Haṭha-Yoga-Texten geht es um die Kontrolle von Atem, Samen (bindu) und somit dem Geist. Die Bewegung des Einen, bedingt die Bewegung des Anderen.
Im Dattātreyayogaśāstra ist der Zweck von Vajrolīmudrā die Kontrolle von Samen (bindu). Für die Praktizierung werden zwei Substanzen benötigt: männliche Geschlechtsflüssigkeit (kṣīra) und weibliche Geschlechtsflüssigkeit (āṅgirasa).
Die Technik wird nicht explizit beschrieben. Es wird im Grunde nur gesagt, dass der jeweilige Samen bewahrt werden soll und sowohl Männer als auch Frauen mit dieser Technik Erfolg im Yoga haben können. Es wird jedoch indirekt impliziert, dass Mann und Frau Sex haben sollen um nach dem Akt die vermischten Geschlechtsflüssigkeiten wieder zurück in den Körper zu ziehen. Für eine ausführliche Diskussion von Vajrolīmudrā siehe (Mallinson: 2013).
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