Fünf innere Tendenzen (kleśa) bestehen in jedem von uns. Sie führen uns immer wieder ins Leiden. Sie sind: Unwissenheit (avidyā), Identifikation mit dem vergänglichen Ich (asmitā), Glaube an bedingtes Glück (rāga) oder an bedingtes Leiden (dveṣa) und Todesangst (abhiniveśa).

Yoga Sutra 2: Über die spirituelle Praxis
avidyāDvandva-Kompositum
avidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
avidyāSubstantiv Feminin
aPräfixvidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
aPräfixVerneinung
vidyāSubstantiv Feminin
vidVerbalwurzel
Wissen
vidVerbalwurzelwissen
asmitāDvandva-Kompositum
asmitāSubstantiv Feminin
Identifkation mit dem vergänglichen Ich
asmitāSubstantiv Feminin
asmi1. Person Singular VerbSuffix
Identifkation mit dem Vergänglichen Ich
asmi1. Person Singular
asVerbalwurzel
ich bin
asVerbalwurzelsein
SuffixNomen Abstraktum: xy-haft
rāgaDvandva-Kompositum
rāgaSubstantiv Maskulin
Glaube an bedingtes Glück
rāgaSubstantiv Maskulin
rañjVerbalwurzel
Glaube an bedingtes Glück
rañjVerbalwurzeleinfärben, röten
dveṣaDvandva-Kompositum
dveṣaSubstantiv Maskulin
Glaube an bedingtes Leiden
dveṣaSubstantiv Maskulin
dviṣVerbalwurzel
Glaube an bedingtes Leiden
dviṣVerbalwurzelabgeneigt sein, anfeinden, hassen
abhiniveśāḥNominativ Plural
abhiniveśaSubstantiv Maskulin
Lebenshang, Lebensdrang
abhiniveśaSubstantiv Maskulin
abhiPräfix ni |Präfix ve"sa |s Maskulin
Existenzangst
abhiPräfixüber, hin, hinein
niPräfixinnen, nach Innen, innerhalb, zurück
veśaSubstantiv Maskulin
viśVerbalwurzel
Haus, Nachbar
viśVerbalwurzelsich niederlassen, eintreten
kleśāḥNominativ Plural
kleśaSubstantiv Maskulin
leidvolle innere Tendenzen
kleśaSubstantiv Maskulin
kliśVerbalwurzel
Schmerz, Leiden, Beschwerde
kliśVerbalwurzelplagen, quälen, leiden, Beschwerde empfangen

Befindest Du Dich im Zustand von Leiden, so überprüfe, welche innere Tendenz (kleśa) Dich dorthin geführt hat:

  1. Unwissenheit, dass Deine Essenz unberührbar und unverletzlich ist (avidyā),
  2. Identifikation mit Deinem Vergänglichem Ich (asmitā),
  3. Glaube daran, dass äußere Dinge notwendig sind, damit Du glücklich sein kannst (rāga)
  4. Glaube daran, dass äußere Dinge die Macht besitzen, Dich unglücklich zu machen (dveṣa) und
  5. Angst vor dem Tod (abhiniveśa).

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer

Erläuterung zum modernen Transfer:

Im Grunde kannst Du immer, wenn Du Dich unglücklich oder leidend fühlst selbst fragen, welche der fünf leidverursachenden inneren Kräfte (kleśa) hier aktiv ist. Ohne Kleśa bist Du umgekehrt auch frei von Leiden. Oft hilft es schon zu benennen welche dieser leidverursachenden Kräfte Dein Leiden verursacht um diese Kraft zu schwächen. Du erlebst Dein Leiden dann aus einer anderen Perspektive und kannst Dich so besser aus diesem Zustand befreien.


Unwissenheit (avidyā | dv), Identifikation mit dem vergänglichem Ich (asmitā | dv), Glaube an bedingtes Glück (rāga | dv) oder bedingtes Leiden (dveṣa | dv) und ein Hängen am Leben (abhiniveśāḥ | nom pl) sind diese leidvollen inneren Tendenzen (kleśāḥ | nom pl).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich

Aus dem Vyāsa Bhāṣya:

Im Bhāṣya erfahren wir, dass die fünf leidverursachenden Kräfte (kleśa) im Grunde fünf Irrtümer sind. Diese Irrtümer verstärken die Ursache-Wirkungsbeziehung. Sie fördern sich gegenseitig und bringen Karma zum Reifen.


Undifferentiated-consciousness (avidyā) and the feeling-of-personality and passion and aversion and the will-to-live are the five 1 hindrances.

James Haughton Woods - 1914

1:

Many MSS omit pañca.


Die fünf Kleça’s sind: Nichtwissen Egoismus, Liebe, Haß und Lebenshang.

Paul Deussen - 1908


The afflictions are ignorance, egotism, desire, aversion and tenacity (of Mundane existence).

James R. Ballantyne - 1852

avidyāNominativ Singular
avidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
avidyāSubstantiv Feminin
aPräfixvidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
aPräfixVerneinung
vidyāSubstantiv Feminin
vidVerbalwurzel
Wissen
vidVerbalwurzelwissen
kṣetram Nominativ Singular
kṣetraSubstantiv Neutrum
Feld, Nährboden
kṣetraSubstantiv Neutrum
kṣiVerbalwurzel
Feld, Nährboden
kṣiVerbalwurzelweilen, sich aufhalten, wohnen
uttareṣāmMaskulin Genitiv Plural
uttaraAdjektiv
der anderen
uttaraAdjektivhöher, überlegen, besser, exzellent, folgende, nachfolgende,
prasuptaDvandva-Kompositum
prasuptaAdjektiv
schlafend, latent
prasuptaAdjektiv
praPräfix supta |adj
schlafend, latent
praPräfixvorwärts, hervor
suptaAdjektiv
svapVerbalwurzel
schlafend
svapVerbalwurzelschlafen
tanuDvandva-Kompositum
tanuAdjektiv
schwach
vicchinnaDvandva-Kompositum
vicchinnaAdjektiv
unterbrochen
vicchinnaAdjektiv
viPräfixchinnaAdjektiv
unterbrochen
viPräfixgetrennt, unterschiedlich, auseinander
chinnaAdjektiv
chidVerbalwurzel
getrennt, zerschnitten
chidVerbalwurzelabschneiden, trennen
udārāṇāmMaskulin Genitiv Plural
udāraAdjektiv
beständig, tätig, unablässig wirkend
udāraAdjektiv
udPräfix ar |r
aktiv
udPräfixhoch, auf, über
arVerbalwurzelgehen, bewegen

Die leidvollen inneren Tendenzen (kleśa) wirst Du niemals völlig auflösen können. Doch sie können in unterschiedlicher Intensität in Dir wirksam sein:

  1. Schlummern sie, so fühlst Du Dich glücklich (prasupta).
  2. Sind sie schwach, so überwiegt in Deinem Leben das Glück (tanu).
  3. Manchmal fällst Du plötzlich von einem Moment des Glücks in einen des Leidens - und umgekehrt. Dies ist ein Zeichen von wechselnden leidvollen inneren Tendenzen (vicchinna).
  4. Befindest Du Dich im Zustand von Leiden, so erinnere Dich, dass die eigentliche Ursache nicht im Außen, sondern im Innen liegt. Eine der fünf inneren leidvollen Tendenzen beherrscht Dich in diesem Zustand vollständig (udārāṇām).

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Unwissenheit (avidyā | nom sg) ist der Nährboden (kṣetram | nom sg) für die anderen (uttareṣām | gen pl) [Qualen (kleśa)]. [Diese können] latent (prasupta | dv), schwach (tanu | dv), wechselnd (vicchinna | dv) oder beständig (udārāṇām | gen pl) [sein].

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich

Aus dem Vyāsa Bhāṣya:


Undifferentiated-consciousness (avidyā) is the field for the others whether they be dormant or attenuated or intercepted or sustained.

James Haughton Woods - 1914


Das Nichtwissen (avidyâ) ist der Boden für die übrigen [vier], mögen sie nun schlummernd (latent), schwach, zwiespältig [unter einander] oder voll entwickelt sein.

Paul Deussen - 1908


Ignorance is the field of the others, whether they be dormant extenuated, intercepted or simple.

James R. Ballantyne - 1852

anityaDvandva-Kompositum
anityaAdjektiv
vergänglich
anityaAdjektiv
aPräfixnityaAdjektiv
vergänglich
aPräfixVerneinung
nityaAdjektivinnewohnend, stetig, ununterbrochen, ewig
aśuciDvandva-Kompositum
aśuciAdjektiv
unrein
aśuciAdjektiv
aPräfixśuciAdjektiv
unrein
aPräfixVerneinung
śuciAdjektiv
śucVerbalwurzel
klar, rein, strahlend
śucVerbalwurzelleuchten, strahlen
duḥkhaDvandva-Kompositum
duḥkhaSubstantiv Neutrum
Leiden
duḥkhaSubstantiv Neutrum
dusPräfixkhaSubstantiv Neutrum
Leiden, Unbehagen, Schmerz
dusPräfixschlecht, schwierig, hart
khaSubstantiv NeutrumÖffnung, Loch, Ausgang / Höhlung in der Nabe des Rades
anātmasuLokativ Plural
anātmanAdjektiv
unbeseelt
anātmanAdjektiv
anPräfixātmanSubstantiv Maskulin
unbeseelt
anPräfixVerneinung
ātmanSubstantiv Maskulin
anVerbalwurzelatVerbalwurzel
Hauch, Seele, Selbst
anVerbalwurzelatmen
atVerbalwurzelbewegen
nityaDvandva-Kompositum
nityaAdjektiv
unvergänglich
śuciDvandva-Kompositum
śuciAdjektiv
rein
śuciAdjektiv
śucVerbalwurzel
klar, rein, strahlend
śucVerbalwurzelleuchten, strahlen
sukhaDvandva-Kompositum
sukhaAdjektiv
glücklich
suhkhaAdjektiv
suPräfixkhaSubstantiv Neutrum
Glück, Wohlbefinden, Lust
suPräfixgut, angenehm
khaSubstantiv NeutrumÖffnung, Loch, Ausgang / Höhlung in der Nabe des Rades
ātmaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
ātmanAdjektiv
beseelt
ātmanAdjektiv
anVerbalwurzelatVerbalwurzel
beseelt
anVerbalwurzelatmen
atVerbalwurzelbewegen
khyātiḥNominativ Singular
khyātiSubstantiv Feminin
Vorstellung
khyātiSubstantiv Feminin
khyāVerbalwurzel
Vorstellung
khyāVerbalwurzelerschauen, erblicken, aufleuchten
avidyāNominativ Singular
avidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
avidyāsf
aPräfixvidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
aPräfixVerneinung
vidyāSubstantiv Feminin
vidVerbalwurzel
Wissen
vidVerbalwurzelwissen

Deine zu Leiden führende Unwissenheit (avidyā) ist im Grunde eine Verwechslung:

  1. Du glaubst, etwas Vergängliches, z.B. Dein physischer Körper, oder eine Fertigkeit (anitya), wäre unvergänglich (nitya).
  2. Du glaubst, etwas Unreines, z.B. ein physisches Gut wie Geld (aśuci), besäße eine göttliche Heiligkeit (śuci).
  3. Du glaubst, etwas mit Leid behaftetes, z.B. ein flüchtiger Genuss wie eine Droge (duḥkha), würde Dich zu wahrem Glück führen (sukha).
  4. Du verwechselst Eigenschaften und Aspekte Deines vergänglichen Daseins (anātman) mit Deinem wahren, unveränderlichen Wesenskern (ātman).

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Unwissenheit (avidyā | nom sg) ist die Vorstellung (khyātiḥ | nom sg) von Ewigem (nitya | dv), Reinem (śuci | dv), Glücklichem (sukha | dv) und Beseeltem (ātma | dv) in Vergänglichem (anitya | dv), Unreinem (aśuci | dv), Leidvollem (duḥkha | dv) und Unbeseeltem (anātmasu | loc pl).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Nichtwissen (avidyâ) ist die Auffassung des Nicht-Ewigen, Unreinen, Leidvollen und Nicht-Selbstes als ewig, rein, lustvoll und als das Selbst.

Paul Deussen - 1908


Ignorance (avidyā) is the notion that the uneternal, the impure, evil and what is not soul are (severally) eternal, pure, joy and soul.

James R. Ballantyne - 1852


The recognition of the permanent, of the pure, of pleasure, and of a self in what is impermanent, impure, pain, and notself is undifferentiated-consciousness.

James Haughton Woods - 1914

dr̥kDvandva-Kompositum
dr̥śSubstantiv Feminin
der Wahrnehmende
darśanaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
darśanaSubstantiv Neutrum
Akt des Wahrnehmens
darśanaSubstantiv Neutrum
dr̥śVerbalwurzelanaSuffix
Akt des Wahrnehmens
dr̥śVerbalwurzelsehen, erblicken, wahrnehmen
anaSuffix NeutrumKr̥t-Suffix mit Guṇa-Stufe: bezeichnet eine Handlung
śaktyoḥLokativ Absulotiv Dual
śaktiSubstantiv Feminin
in der Kraft
śaktiSubstantiv Feminin
śakVerbalwurzel
das Können, Vermögen, Kraft, Fähigkeit, Wirksamkeit
śakVerbalwurzelvermögen, im Stande sein
ekaDvigu-Kompositum
ekaZahlwort
eine
ātmatāNominativ Singular
ātmatāSubstantiv Feminin
Wesenheit
ātmatāSubstantiv Feminin
ātmanSubstantiv MaskulinSuffix
Wesenheit
ātmanSubstantiv MaskulinHauch, Seele, Selbst
Suffix FemininZustand des etwas Seins, XY-schaft, XY sein - Bhāvārtha-taddhita Abstraktum
iva
ivaPartikel
gleich wie, wie, gleichsam
asmitāNominativ Singular
asmitāSubstantiv Feminin
Identifikation mit dem Vergänglichen Ich
asmitāSubstantiv Feminin
asmi1. Person Singular VerbSuffix
Ichbinsein, Selbstsucht
asmi1. Person Singular
asVerbalwurzel
ich bin
asVerbalwurzelsein
SuffixNomen Abstraktum: xy-haft

Wenn die Kraft des Wahrnehmens und des Wahrzunehmenden [sind] (dr̥g-darśana-śaktyoḥ | loc abs du) wie (iva) das Sein eine einzige Wesenheit (ekātmatā | nom sg) [ist dies] die Identifikation mit dem vergänglichen Ich (asmitā | nom sg).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Wenn die Identifikation mit Deinem vergänglichen Ich (asmitā) Dich beherrscht, dann glaubst Du, Deine wahre Natur wäre in Deinem vergänglichen Körper oder Geist zu finden. Doch im Grunde nimmt Deine wahre Natur nur wahr (dr̥g). Dieser vergängliche Körper und vergängliche Geist sind lediglich Projektionsflächen (darśana), durch die diese wahre Natur Erfahrungen sammeln kann.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Egoismus (asmitâ) ist die Identifikation der Potenzen des Sehenden und des Sehens [des Purusha und des Innenorgans, bei welchem letztern Organ und Funktion nach Sâňkhya-Kârikâ 29: svâlakshaṇyam vṛttis trayasya, zusammenfallen.]

Paul Deussen - 1908


Egotism (asmitā) is the identifying of the power that sees with the power of seeing.

James R. Ballantyne - 1852


When the power of seeing and the power by which one sees have the appearance (iva) of being a single-self, [this is] the feeling-of-personality.

James Haughton Woods - 1914

sukhaTatpuruṣa-Kompositum Lokativ
sukhaSubstantiv Neutrum
Glück
suhkhaSubstantiv Neutrum
suPräfixkhaSubstantiv Neutrum
Glück, Wohlbefinden, Lust
suPräfixgut, angenehm
khaSubstantiv NeutrumÖffnung, Loch, Ausgang / Höhlung in der Nabe des Rades
anuśayīNominativ Singular
anuśayinAdjektiv
anhängend, behaftet; am Ende eines Kompositums: mit der Vorstellung von XY behaftet
anuśayīAdjektiv
anuPräfixśayaAdjektiv
anhängend, behaftet
anuPräfixfolgend, basierend auf, unter, nach
śayaAdjektiv
śiVerbalwurzel
liegend, schlafend, sich aufhaltend
śiVerbalwurzelliegen, schlafen
rāgaḥNominativ Singular
rāgaSubstantiv Maskulin
Glaube an bedingtes Glück, Gier
rāgaSubstantiv Maskulin
rañjVerbalwurzel
Glaube an bedingtes Glück, Gier
rañjVerbalwurzelsich färben, sich röten, in Aufregung geraten

Mit der Vorstellung von weltlichem Glück behaftet (sukhānuśayī | nom sg) [ist der Glaube an] bedingtes Glück (rāgaḥ | nom sg).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Glaubst Du, erst wenn eine äußere Bedingung sich einstellt, kannst Du glücklich sein (sukha)? Dann beherrscht Dich der Glaube an bedingtes Glück (ragha).

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Auf Lust beruhend ist die Liebe.

Paul Deussen - 1908


Desire is what dwells on pleasure.

James R. Ballantyne - 1852


Passion is that which dwells 1 upon pleasure.

James Haughton Woods - 1914

1:

See gloss sukham anuçete viṣayīkaroti (Maṇiprabhā). Compare i. 11, p. 386 (Calc. ed.). See also Vācaspati‘s gloss (anukurvanti), p. 28117 (Calc. ed.), and the last words of the Bhāṣya on iv. 28 with Bālarāma‘s note.

duḥkhaTatpuruṣa-Kompositum Lokativ
duḥkhaSubstantiv Neutrum
Unglück
duḥkhaSubstantiv Neutrum
dusPräfixkhaSubstantiv Neutrum
Leiden, Unbehagen, Schmerz
dusPräfixschlecht, schwierig, hart
khaSubstantiv NeutrumÖffnung, Loch, Ausgang / Höhlung in der Nabe des Rades
anuśayīNominativ Singular
anuśayinAdjektiv
anhängend, behaftet; am Ende eines Kompositums: mit der Vorstellung von XY behaftet
anuśayīAdjektiv
anuPräfixśayaAdjektiv
anhängend, behaftet
anuPräfixfolgend, basierend auf, unter, nach
śayaAdjektiv
śiVerbalwurzel
liegend, schlafend, sich aufhaltend
śiVerbalwurzelliegen, schlafen
dveṣaḥNominativ Singular
dveṣaSubstantiv Maskulin
Glaube an bedingtes Leiden
dveṣaSubstantiv Maskulin
dviṣVerbalwurzel
Glaube an bedingtes Leiden
dviṣVerbalwurzelabgeneigt sein, anfeinden, hassen

Mit der Vorstellung an weltliches Leid behaftet (duḥkāanuśayī | nom sg) [ist der Glaube an] bedingtes Leiden (dveṣaḥ | nom sg).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Glaubst Du, ein äußerer Umstand hat die Verantwortung, dass Du gerade unglücklich sein musst oder leidest (duḥkha)? Dann beherrscht Dich der Glaube an bedingtes Leiden (dveṣa).

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Auf Schmerz beruhend ist der Haß.

Paul Deussen - 1908


Aversion is what dwells on pain.

James R. Ballantyne - 1852


Aversion <1 > is that which dwells upon pain.

James Haughton Woods - 1914

<1: Professor Deussen quotes most appositely Spinoza, Ethica iii. 13, Scholion, Amor nihil aliud est, quam laetitia concomitante idea causae externae; et odium nihil aliud, quam tristitia concomitante idea causae externae.

svarasaTatpuruṣa-Kompositum Lokativ
sarasaSubstantiv Maskulin
Selbsterhaltungstrieb
svaAdjektivselbst
rasaSubstantiv Maskulin
rasVerbalwurzel
Saft; Geschmack
rasVerbalwurzelschmecken
vāhīNominativ Singular
vāhinAdjektiv
basierend auf, mit sich bringend, an sich tragend
vāhinAdjektiv
vahVerbalwurzel
basierend auf, mit sich bringend, an sich tragend
vahVerbalwurzelfahren
viduṣaḥGenitiv Singular
vidvasSubstantiv Maskulin
wissend, der Wissende
vidvasSubstantiv Maskulin
vidVerbalwurzel
wissend
vidVerbalwurzelwissen
api
apiPartikel
sogar
tathā
tathāPartikel
so auf diese Weise
rūḍhaḥNominativ Singular
rūḍhaAdjektiv / Partizip Perfekt Passiv
gediehen
rūḍhaAdjektiv / Partizip Perfekt Passiv
ruhVerbalwurzel
gediehen
ruhVerbalwurzelwachsen, sich entwickeln
abhiniveśaḥNominativ Singular
abhiniveśaSubstantiv Maskulin
Lebenshang
abhiniveśaSubstantiv Maskulin
abhiPräfix ni |Präfix ve"sa |s Maskulin
Existenzangst
abhiPräfixüber, hin, hinein
niPräfixinnen, nach Innen, innerhalb, zurück
veśaSubstantiv Maskulin
viśVerbalwurzel
Haus, Nachbar
viśVerbalwurzelsich niederlassen, eintreten

Lebenshang (abhiniveśaḥ | nom sg) basiert auf dem Selbsterhaltungstrieb (sva-rasa-vāhī | nom sg). Er ist auf diese Weise sogar (api tathāx) für den Gelehrten (viduṣaḥ | gen sg) gediehen (rūdḥaḥ | nom sg).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich

x:

In der Textversion des Yoga Sūtra, die über die Krishnamarchaya Traditionslinie Verbreitung gefunden hat, heißt es samā, statt tathā. Der ganze Satz lautet dann:

sva-rasa-vāhī viduṣo 'pi samā rūḍho 'bhiniveśaḥ

Die entsprechende Übersetzung lautet dann:

“Lebenshang basiert auf dem Selbsterhaltungstrieb. Sie ist sogar für den Gelehrten vollständig gediehen (samā rūḍhaḥ).”


Todesangst (abhiniveśa) kommt ohne äußeren Auslöser. Sie kann sogar erfahrene Yogis bewegen und beherrschen.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Die auch beim Weisen vorhandene, auf Selbstgeschmecktem [in einer frühern Geburt] beruhende (besser: vom Geschmack, Wohlgefallen an dem eigenen Selbst begleitete) Anhänglichkeit an den Leib ist der Lebenshang.

Paul Deussen - 1908


Continuant through its self-reproductive property, even on the part of the wise attachment to the body is ‘tenacity of life’.

James R. Ballantyne - 1852


The will-to-live (abhiniveça) sweeping on [by the force of] its own nature 1 exists in this form even in the wise.

James Haughton Woods - 1914

1:

See Ruyyaka : Alamkarasarvasva (Kāvyamālā 35), p. 554, interprets the word as meaning merely eo ipso or by its own nature. Compare Rāmānanda Yati in 1903, p. 307, vāsanā-āsaṅgaḥ svarasaḥ.

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    Gerald Kozian

    at 22.12.2020

    Hallo Ronald,
    Folgende Frage zum Text. Wozu sollte meine Wahre Natur Körper und Geist als Projektionsfläche für Erfahrungen nutzen? Wessen Erfahrungen? Ist damit gemeint, das die Wahre Natur sich nur [...] Hallo Ronald,
    Folgende Frage zum Text. Wozu sollte meine Wahre Natur Körper und Geist als Projektionsfläche für Erfahrungen nutzen? Wessen Erfahrungen? Ist damit gemeint, das die Wahre Natur sich nur mit Hilfe von oder über Körper und Geist erkennen lässt?
    Woher kommt der Antrieb, das ich meine wahre Natur erkennen will?
    Woran erkenne ich, dass ich
    meiner wahren Natur auf der Spur bin?
    Was ist die wahre Natur?
    Ich denke, dass sie für alle gleich sein muss. Nur jeder wird anderes sehen und meinen, das ist sie.
    Wer ist überhaupt der in mir, der sucht?

    Namaste
    und schöne Weihnachten!
    Gerald

    • Hallo Gerald,

      wau. Du stellst die großen Fragen, die die Yogis seit Jahrtausenden beschäftigen.
      - In der Tat gab es hier schon viele verschiedene Antworten. Ich bin mir sicher Du wirst auch viele [...] Hallo Gerald,

      wau. Du stellst die großen Fragen, die die Yogis seit Jahrtausenden beschäftigen.
      - In der Tat gab es hier schon viele verschiedene Antworten. Ich bin mir sicher Du wirst auch viele für Dich passende finden.
      In der Samkhya Philosophie bleibt die Entstehung der Schöpfung (Prakr̥ti) letztendlich ein großes Geheimnis. Die Schöpfung existiert und unsere Essenz kann sich schließlich selbst erfahren und wieder von ihr lösen.
      Viel Freude beim Fragen stellen und Antworten finden wünscht Dir

      Ronald

      P.S.: Übrigens - In der Advanced Ausbildung diskutieren wir genau über diese Fragen sehr intensiv.

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      Gerald Kozian

      at 23.12.2020

      Hallo Ronald,
      Vielen Dank für deine schnelle Antwort! Seid gestern lese ich wiederholt und mit großer Freude deine Mail und reflektiere über deren Inhalt. Du sagst, die Essenz kann sich selbst [...] Hallo Ronald,
      Vielen Dank für deine schnelle Antwort! Seid gestern lese ich wiederholt und mit großer Freude deine Mail und reflektiere über deren Inhalt. Du sagst, die Essenz kann sich selbst erfahren. Dann ist es die Essenz, die mich antreibt. Das muss ich weiter auf mich wirken lassen.
      Die Samkhya hatte ich noch nicht auf dem Schirm. Meine spirituelle Inspiration ziehe ich aus der Bhagavat gita und dem Yoga sutra und weiterer spiritueller Literatur. Ich werde mir die Samkhya anschauen.

      Bis bald und vielen Dank!
      Namaste
      Gerald

    • Hallo Gerald,
      das Yoga Sutra ist letztendlich aus der Sankhya Perspektive geschrieben.
      Ein tiefes Eintauchen wünscht Dir
      Ronald Hallo Gerald,
      das Yoga Sutra ist letztendlich aus der Sankhya Perspektive geschrieben.
      Ein tiefes Eintauchen wünscht Dir
      Ronald