Schließlich kannst Du Deine Sinne (indriya) von allen äußeren Objekten (svaviṣayā) zurückziehen. Dann bezieht sich Deine Wahrnehmung auf Deinen Geist (svarūpānukāra). Wenn Dein Geist dann allmählich Ruhe findet, so findet auch diese innere Wahrnehmung Ruhe. Diese Yogapraxis heißt Sinneskultivierung (pratyāhāra).
Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer
Wenn keine Verbindung mit dem betrachteten Objekt (svaviṣayāsaṁprayoge | loc abs sg) [besteht], [entsteht] Angleichung der eigenen Gestalt [der Sinne] (svarūpānukāraḥ | nom sg) an den innere Wahrnehmungsraum (cittasya | gen sg). [Dies ist] wahrlich (iva) die Kultivierung (pratyāhāraḥ | nom sg) der Sinne (indriyāṇām | gen pl).
Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich
Aus dem Vyāsa Bhāṣya
Bhāṣya zu 2.54:
Wenn die Sinnesorgane keine Verbindung mit ihrem jeweiligen Objekt haben, nehmen sie gleichsam die Natur des Geistes selbst an. Wenn der Geist im Stillstand ist, sind die Sinne im Stillstand, ohne dass sie irgendein anderes Mittel zu ihrer Unterwerfung benötigen. Wenn die königliche Biene sich erhebt, erhebt sich der Schwarm, und wenn er sich niederlässt, lassen sie sich nieder, so sind auch die Sinne im Stillstand, wenn der Verstand im Stillstand ist. Dies ist der Rückzug der Sinne.
Freier übersetzt sagt der Bhāṣya folglich:
- Die Sinne heften sich an den Geist, wenn sie nicht mit äußeren Objekten beschäftigt werden.
- Wenn dann der Geist ruhig wird, dann sind folglich auch die Sinne ruhig.
So können die Sinne zur Ruhe kommen, ohne dass sie selbst kontrolliert werden müssen.
Die Metapher mit der Königsbiene und dem Bienenvolk stammt aus der Praśna Upaniṣad., 2.4. Die Upaniṣad besteht aus 6 Fragen (praśna) und den jeweiligen Antworten dazu. Jede Frage wird in einem Kapitel aufgeführt und beantwortet. Auf diese Weise behandelt die Upaniṣad folgende Themen:
- der Ursprung der Geschöpfe,
- Lebensatem,
- Atemfluss im Körper,
- Träume und traumloser Schlaf,
- Meditation auf die Silbe OM,
- sechszehn Teile des Menschen.
Die Königsbiene ist hier der Geist. Die Sinne sind das Bienenvolk, das der Königsbiene folgt. Sie kommen zur Ruhe, wenn der Geist zur Ruhe kommt.
The withdrawal of the senses is as it were the imitation of the mind-stuff itself on the part of the organs by disjoining themselves from their objects.
James Haughton Woods - 1914
Wenn die Sinnesorgane, unter Aufhebung ihrer Verbindung mit den ihnen entsprechenden Objekten, gleichsam die Natur des Chittam nachahmen, so ist dies das Einziehen der Organe.
Paul Deussen - 1908
‘Restraint’ is as it were the accommodation of the senses to the nature of the mind in the absence of concernment with each one’s own object.
James R. Ballantyne - 1852
Zurückziehen der Sinne (pratyāhāra) ist die höchste Kontrolle der Sinne (indriya).
Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer
Dadurch (tataḥ) [entsteht] höchste Kontrolle (paramā vaśyatā) der Sinnesorgane (indriya).
Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich
Aus dem Vyāsa Bhāṣya
Im Bhāṣya werden 4 weniger bedeutende Formen der Sinneskontrolle dargestellt:
- Mangel an Verlangen nach Sinneobjekten wie Klang etc.
- Sich an Sinnesobjekten erfreuen, solange sie nicht verboten sind
- Mit Sinnesobjekten nach eigenem Wunsch und nicht nach dem Diktat der Sinne in Kontakt zu treten
- Sich mit Sinnesobjekten zu beschäftigen, aber ohne Anhaftung oder Abneigung, ohne Glück oder Leid.
Der Bhāṣya verweist auf einen Weisen namens Jaigīṣavya. Dieser vertritt die Ansicht, dass Sinneskontrolle nur die Nicht-Wahrnehmung von Objekten ist, die aus der Ein-Punkt-Haltung resultiert. Diese Beherrschung ist die Höchste. Wenn der Geist im Stillstand ist, sind die Sinne im Stillstand; im Gegensatz zu den anderen Formen der Sinneskontrolle müssen Yogins, die dies praktiziert haben, nicht nach weiteren Mitteln suchen.
Jaigīṣavya, wird im Aśvaghoṣa’s "Buddhacarita" erwähnt. Er ist eine Figur, die oft mit Weisheit und spiritueller Erkenntnis in Verbindung gebracht wird. "Buddhacarita" ist ein episches Gedicht über das Leben des Buddha, und es umfasst verschiedene Charaktere, die bedeutende philosophische und religiöse Ideen der Zeit darstellen.
Jaigīṣavya ist folglich mit den Lehren des Buddhismus verbunden. Dies zeigt, erneut, wie an vielen anderen Stellen des Yoga Śāstra die enge Verbindung bzw. Auseinandersetzung mit dem Buddhismus.
As a result of this [withdrawal] there is complete mastery of the organs.
James Haughton Woods - 1914
Daraus erfolgt eine vollkommene Unterwerfung der Sinnesorgane.
Paul Deussen - 1908
Therefrom is there complete subjection of the senses.
James R. Ballantyne - 1852
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Cornelia Atzinger
at 26.01.2022Hallo Zusammen, hallo Ronald, ich bin etwas irritiert. Es heißt oben in der Eingangserklärung: 'Die dritte Stufe der spirituellen Praxis (sādhana) ist die Sinneskontrolle (pratyāhāra)'. Aber [...] Hallo Zusammen, hallo Ronald, ich bin etwas irritiert. Es heißt oben in der Eingangserklärung: 'Die dritte Stufe der spirituellen Praxis (sādhana) ist die Sinneskontrolle (pratyāhāra)'. Aber pratyāhāra ist doch eigentlich der fünfte Aspekt des Yogaweges. Hab ich etwas nicht verstanden? Ganz herzliche Grüße, Cornelia
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Hallo Cornelia,
Sādhana ist die spirituelle Praxis. Sie umfasst: Āsana, Prāṇāyāma, Pratyāhāra, Dhārnā.
Ich hoffe das hilft Dir weiter.
Namaste und herzliche Grüße
[...] Hallo Cornelia,
Sādhana ist die spirituelle Praxis. Sie umfasst: Āsana, Prāṇāyāma, Pratyāhāra, Dhārnā.
Ich hoffe das hilft Dir weiter.
Namaste und herzliche Grüße
Ronald -
Cornelia Atzinger
at 27.01.2022Super, vielen Dank Ronald - verstanden.
Namaste, Cornelia Super, vielen Dank Ronald - verstanden.
Namaste, Cornelia
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