Dattātreya gibt den Haṭha-Yoga in seinem Yoga-Śāstra in zwei Versionen an. Die eine erinnert stark an die acht Glieder aus dem Yoga-Sūtra. Er führt diesen Weg jedoch auf Yājñavalkya zurück. Die zweite Version enthält Bandha und Mudrā Techniken. Diese bezieht er auf Kapila

Dattatreyayogashastra
yamaḥNominativ Singular
yamaSubstantiv Maskulin
festgesetzte Ordnung, Selbstbezwingung, Selbstbeherrschung, Umgang mit anderen
ca
caPartikel
und
niyamaḥNominativ Singular
niyamaSubstantiv Maskulin
Zurückhaltung, Beschränkung, Umgang mit sich
ca
caPartikel
und
eva
evaPartikel
ja, wirklich
āsanamAkkusativ Singular
āsanaSubstantiv Maskulin
Haltung, Sitzhaltung
ca
caPartikel
und
tataḥ
tatasAdverb
dann
paramAkkusativ Singular
paraAdjektiv
hinaus über, jenseits, nach
prāṇaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
prāṇaSubstantiv Maskulin
Atem
yāmaḥNominativ Singular
prāṇāyāmaSubstantiv Maskulin
Atembeherrschung
caturthaḥNominativ Singular
caturthaAdjektiv
viertes
syāt3. Person Optativ Singular
asVerbalwurzel
es möge sein
pratyāhāraḥNominativ Singular
pratyāhāraSubstantiv Maskulin
das Zurückziehen der Sinne
tu
tuPartikel
wahrlich
pañcamaḥNominativ Singular
pañcamaAdjektiv
fünftes

Umgang mit anderen (yama) und Umgang mit sich (niyama) und dann Sitzhaltung (āsana), danach kommt als viertes Atembeherrschung (prāṇāyāma), als fünftes wahrlich das Zurückziehen der Sinne (pratyāhāra).

tataḥ
tatasAdverb
dann, darauf
tu
tuPartikel
wahrlich, wohl, allerdings
dhāraṇāNominativ Singular
dhāraṇāSubstantiv Feminin
Konzentration
proktāNominativ Singular
proktāPartizip Perfekt Passiv
gelehrt
dhyānamAkkusativ Singular
dhyānaSubstantiv Maskulin
Meditation, Versenkung
saptamam Akkusativ Singular
saptamaAdjektiv
siebtes
ucyate3. Person Singular Passiv
vacVerbalwurzel
es wird gesagt
samādhiḥNominativ Singular
samādhiSubstantiv Maskulin
Absorption
aṣṭamaḥNominativ Singular
aṣṭ.amaAdjektiv
achtes
proktaḥNominativ Singular
proktaPartizip Perfekt Passiv
gelehrt, verkündet
proktaPartizip Perfekt Passiv
praPräfixvacVerbalwurzel
gelehrt
praPräfixvor
vacVerbalwurzelsagen, sprechen
sarvaKarmadhāraya-Kompositum
sarvaAdjektiv
all, ganz, vollständig
puṇyaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
puṇyaSubstantiv Maskulin
moralisches, religiöses Verdienst
phalaTatpuruṣa-Kompositum Akkusativ
phalaSubstantiv Maskulin
Frucht
pradaḥNominativ Singular
pradaAdjektiv
verleihend, gebend
evam
evaPartikel
so, auf diese Weise
aṣṭaKarmadhāraya-Kompositum
aṣṭaZahlwort
acht
aṅgaKarmadhāraya-Kompositum
aṅgaAdjektiv
gliedrig
yogamAkkusativ Singular
yogaSubstantiv Maskulin
Yoga
ca
caPartikel
und
yājñavalkyaDvandva-Kompositum
yājñavalkyaSubstantiv Maskulin
Yājñavalkya
ādayaḥNominativ Plural
ādiSubstantiv Maskulin
und anderen, usw.
viduḥ3. Person Plural Perfekt
vidVerbalwurzel
sie lehrten

Dann wird wahrlich Konzentration (dhāraṇa) gelehrt, Versenkung (dhyāna) wird als siebentes [Glied] verkündet. Das Einheitserlebnis (samādhi) gilt als achtes [Glied]. Es verleiht alle spirituellen Früchte. Auf diese Weise wurde der achtgliedrige Yoga von Yājñavalkya und anderen gelehrt.

kapilaDvandva-Kompositum
kapilaSubstantiv Maskulin
der Weise Kapila
adyāḥGenitiv Singular
ādiSubstantiv Maskulin
und andere, usw.
tu
tuPartikel
aber, ja, wahrlich, doch, nun
siddhāḥNominativ Plural
siddhaSubstantiv Maskulin
Meister, Vollendete
ca
caPartikel
und
haṭhamAkkusativ Singular
haṭhaSubstantiv Maskulin
Forcierung
kuryuḥ3. Person Plural Optativ
kr̥Verbalwurzel
sie würden machen, sie würden ausführen
tataḥNominativ Singular
tatasAdverb
außerdem
yathā
yathāAdverb
in dieser Weise

Kapila und andere Meister, würden wahrlich [der Yoga der] Forcierung (haṭha-yoga) außerdem in dieser Weise ausführen:

tataḥ
tatasAdverb
folglich
syāt 3. Person Singular Optativ
asVerbalwurzel
sie würden tun, sie mögen machen, sie würden praktizieren
khecarīTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
khecarīSubstantiv Feminin
Fähigkeit zu fliegen, Luftgänger
mudrāNominativ Singular
mudrāSubstantiv Feminin
Siegel
bandhaḥNominativ Singular
bandhaSubstantiv Maskulin
Band, Bindung, Verschluss
jālandharaḥNominativ Singular
jālandharaSubstantiv Maskulin
Ort in Nordindien, dessen mikrokosmisches Abbild im yogischen Körper existiert
jālandharaSubstantiv Maskulin
jālaAdjektivdharaAdjektiv
das Wasser Tragende
jālaAdjektivwasserhaltig
dharaAdjektivhaltend, tragend
tataḥNominativ Singular
tatasAdverb
außerdem
uḍḍiyāṇamNominativ sgOrissa
uḍḍiyāṇaSubstantiv Neutrum
Ort in Nordostindien , dessen mikrokosmisches Abbild im yogischen Körper existiert, nach oben fliegend
mūlaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
mūlaSubstantiv Maskulin
Wurzel
bandhaḥNominativ Singular
bandhaSubstantiv Maskulin
Band, Bindung, Verschluss
viparītaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
viparītaSubstantiv Maskulin
umgekehrt
karaṇīNominativ Singular
karaṇīSubstantiv Feminin
Macher
tathā**
tathāAdverb
so auch

Folglich würden sie das Siegel der Luftgänger (khecari-mudrā), die das Wasser tragende (jālandhara) Bindung (bandha), außerdem die nach oben fliegende (uḍḍiyāṇa) [Bindung (bandha)], die Wurzelbindung (mūla-bandha) und so auch das [Siegel (mudrā) der] Umkehrer (viparītakaraṇī) praktizieren.

Anmerkung: Im vierten Pāda ist für das Metrum des Anuṣṭubh eine Silbe zu viel vorhanden.

vajroliḥNominativ Singular
vajroliSubstantiv Maskulin
Vajroli
amaroliḥNominativ Singular
amaroliSubstantiv Maskulin
Amaroli
ca
caPartikel
und
sahajoliḥNominativ Singular
sahajoliSubstantiv Maskulin
Sahajoli
tridhā
tridhāAdverb
dreifach, in dreifacher Weise
matā
matāSubstantiv Feminin
gedacht, angenommen, betrachtet
eteṣāmGenitiv Plural
etadPronomen
deren
lakṣaṇamAkkusativ Singular
lakṣaṇaSubstantiv Maskulin
Eigenschaften
vakṣye3. Person Singular Futur
vacVerbalwurzel
ich werde lehren
kartavyamger
kr̥Verbalwurzel
gemacht werden sollen
ca
caPartikel
und
viśeṣataḥAblativ Singular
viśeṣatasAdverb
je nach Verschiedenheit

Als ein Dreifaches wird Vajroli, Amaroli und Sahajoli betrachtet. Ich werden deren Eigenschaften lehren und wie sie jeweils ausgeführt werden sollen.

Haṭha-Yoga nach Yājñavalkya

Hier handelt es sich um einen achtgliedrigen Pfad. Sowohl die Bezeichnungen, als auch die Reihenfolge scheinen eins zu eins aus dem Yoga-Sūtra von Patañjali zu stammen. Doch beruft sich Dattātreya auf eine andere Quelle. Er nennt Yājñavalkya als den Urheber dieser acht Stufen.

Bei genauer Betrachtung ergeben sich signifikante Unterschiede zu Patañjali und eine Ähnlichkeit zur Yoga-Yājñbavakjya. Von diesem Text scheint das Dattātreya-yoga-śāstra Inspiration zu ziehen. Denn viele gehen davon aus, dass das Yoga-Yājñbavakjya älter ist.

Umgekehrt könnte sich dieser Text auch auf einen nicht mehr erhaltenen Text von Yājñbavakjya beziehen. Das eigentliche Yoga-Yājñbavakjya wäre dann später verfasst und quasi rückwirkend diesem Yājñbavakjya zugeordnet.

Ein Tantrischer Aṣṭāṅga-Yoga

Insbesondere: Da es sich um einen Weg des Haṭha-Yoga handelt, scheint die dritte Stufe, Āsana, mehr als nur ein bloßer Sitz für die Meditation zu sein. Auch die vierte Stufe, Prāṇāyāma, besteht nun aus konkreten Techniken. Selbst die Konzentration, Dhāraṇa, taucht in einen tantrischen Energie-Körper ein.

Die acht Stufen sind nun:

  1. Yama: Umgang mit anderen: Geringe Nahrungsaufnahme (DYŚ 33)
  2. Niyama: Umgang mit sich: Nichtverletzen (DYŚ 34)
  3. Āsana: Körperhaltung: Padmāsana (DYS 35-39)
  4. Prāṇāyāma: Atemübungen: Wechselatmung (DYS 59-65) und Kevala Kumbhaka (DYS 71-77)
  5. Pratyāhāra: Zurückziehen der Sinne: Internalisieren von Sinneseindrücken aus den einzelnen Sinnesorganen (DYS 92-96)
  6. Dhāraṇa: Konzentration: Auf die Elemente (DYS 109-119)
  7. Dhyāna: Versenkung: Durch Atemstillstand (DYS 120-121)
  8. Samādhi: Einheitserlebnis: Durch beharrliches Einüben (DYS 122)

    Haṭha-Yoga nach Kapila

Viṣṇu inkarnierte sich verschiedenen Legenden nach als Avatar mehrmals. Einige Texte sprechen von 10 Avataran, andere von 25. Kapila und auch Dattātreya sind in der Liste der 25 Avatare von Viṣṇu enthalten. Dies unterstreicht nochmals die Vaiṣṇava Zugehörigkeit dieses Haṭha Yoga Textes.

Kapila gilt in wesentlich älteren Yogatexten als der Urheber des Sāṁkhya-Yoga und Autor des verschollenen Saṁkhya-Sūtra. Einige dieser Texte, die sich so auf Kapila sind:

  1. Svetāśvatāropaniṣad,
  2. Pātañjalayogaśāstra und
  3. Sāṁkhyakārikā

Kapila gilt hier als erster Wissender, der durch Yoga Erlösung erlangte.

Es scheint hier jedoch nicht um diesen Kapila zu handeln, sondern ein späterer Kapila in einer tantrischen Traditionslinie.

Die beiden größten Regimente (akhār̥ā) der Daśanāmī-Sadhus berufen sich die eine auf Kapila, die andere auf Dattātreya als ihre Schutzgottheit 1.

In der Version des Haṭha-Yoga, die das Dattātreya-Yoga-Śāstra mit Kapila als Urheber vorstellt, finden wir für den Haṭha-Yoga typische Techniken:

  1. 4 grundlegende Mudrā (Mahā-Mudrā, Mahā-Bandha, Mahā-Veda und Khecari-Mudrā)
  2. 3 Bandha (Jāladhara-Bandha, Uḍḍiyāṇa-Bandha und Mūla-Bandha)
  3. Viparītakaraṇī-Mudrā
  4. 3 Oli-Techniken (Vajroli-Mudrā, Amaroli-Mudrā und Sahajoli-Murā)

<1: James Mallision: https:

Vier wesentliche Mudrā-Techniken

Es beginnt mit den vier wesentlichen Mudrā-Techniken. Diese sind:

  1. Mahā-Mudrā: Dem großen Siegel (DYS 130-133)
  2. Mahā-Bandha: große Bindung (DYS 134)
  3. Mahā-Veda: großes Stoßen (DYS 135)
  4. Khecari-Mudrā: Das Siegel der Luftgänger (DYS 136)

Diese Techniken stammen aus der Amr̥tasiddhi, einem älteren tantrischen Text, der die Techniken noch nicht mit Haṭha Yoga bezeichnet. Die vier Techniken werden in der Amr̥tasiddhi jedoch deutlich detaillierter beschrieben.

Drei Bandha

Darauf aufbauend, bzw. näher erläuternd, vier weitere Mudrā-Techniken:

  1. Jāladhara-Bandha: Die Wasser tragende Bindung (DYS 137-139)
  2. Uḍḍiyāṇa-Bandha: Die nach oben fliegende Bindung (DYS 140-141)
  3. Mūla-Bandha: Die Wurzelbindung (DYS 142-144)

Auch diese Techniken entstammen der Amr̥tasiddhi. Dort werden sie als Teil von Mahā-Bandha vorgestellt. In späteren Haṭha Yoga Texten werden die drei Bandha zu unabhängigen Techniken.

Eine weitere Mudrā

  1. Viparītakaraṇī-Mudrā: Das Siegel der Umkehr (DYS 145-149)

Das Dattātreya-Yoga-Śāstra beschreibt hier als einer der ältesten Texte eine Umkehrhaltung im Haṭha Yoga.

Erstmals vier Oli Techniken im Haṭha-Yoga

Zusätzlich finden wir noch drei Techniken, die im Dattātreya-Yoga-Śāstra erstmals namentlich auftauchen und beschrieben werden:

  1. Vajroli-Mudrā: Zurückziehen des Samen (bindu) (150-158)
  2. Amaroli-Mudrā: Trinken des eigenen Mittelstrahl-Urins mit der Nase. Diese Technik wird hier nicht näher erläutert. Diese Deutung bezieht sich auf die Haṭha-Yoga-Pradīpika. (DYS 159-163)
  3. Sahajoli-Murā: Beschmieren mit Asche nach dem Geschlechtsakt. Auch diese Technik wird hier nicht näher erläutert. Diese Deutung bezieht sich auf die Haṭha-Yoga-Pradīpika (DYS 159-163)

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